Environmental Social Governance (ESG) – Überblick über die Regulatorik
Auch in der Logistikimmobilienbranche ist „ESG“ (bestehend aus Environmental – Social and Governance) das Schlagwort der Stunde. Selbst wenn die Regulatorik teilweise nicht mehr ganz neu ist, entwickelt sie sich dynamisch und stellt die Betroffenen vor neue Herausforderungen. Im Folgenden soll ein knapper Überblick gegeben werden.
Ursprung und Entwicklung
Als Ausgangspunkt der ESG–Regelungsinitiativen wird häufig das Pariser Klimaabkommen von 2015 genannt, in dessen Rahmen verschiedene Ziele und Maßnahmen zum Klimaschutz verabschiedet wurden, insbesondere die Begrenzung des globalen Temperaturanstiegs auf 1,5 Grad. Aber auch schon zuvor wurden auf internationaler Ebene Nachhaltigkeitsziele formuliert, wie etwa in der Agenda 2030 der Vereinten Nationen, dort u.a. bezahlbare und saubere Energie, nachhaltige/r Konsum & Produktion und Maßnahmen zum Klimaschutz.
Als integralen Bestandteil der Strategie zur Umsetzung der Agenda 2030 der UN stellte die EU-Kommission 2019 den European Green Deal vor. Er beinhaltet verschiedene Maßnahmen, um das Ziel einer Reduzierung der CO2 Emissionen bis 2030 um mindestens 55 % gegenüber 1990 zu erfüllen. Als Aktionsbereiche identifiziert die Kommission dabei unter anderem das energie- und ressourcenschonende Bauen und Renovieren sowie eine raschere Umstellung auf eine nachhaltige und intelligente Mobilität.
Mit dem erstmals 2018 veröffentlichten Aktionsplan Finanzierung nachhaltigen Wachstums spricht die EU-Kommission dem Finanzsystem eine Schlüsselrolle für eine umweltverträglichere und nachhaltigere Wirtschaft zu. Sie stellt eine Agenda aus Maßnahmen auf, die insbesondere darauf abzielen, die Kapitalflüsse auf nachhaltige Investitionen umzulenken und finanzielle Risiken, die sich aus dem Klimawandel oder sozialen Problemen ergeben, zu bewältigen.
Diese und weitere Initiativen haben inzwischen eine komplexe und heterogene Regulatorik hervorgebracht. Ihre Rechtsquellen finden sich auf internationaler und europäischer, in Deutschland zusätzlich auch auf bundes‑, landes- und kommunaler Ebene. In ihren Rechtswirkungen reichen die Gestaltungen von Umweltstandards im Kleid klassischer Ver- und Gebote gesetzlichen Ursprungs bis zu – aus rechtlicher Sicht – rein freiwillig zu befolgenden privaten Standards, wie etwa den schon seit längerer Zeit bekannten Gebäude-Zertifizierungssystemen DGNB, LEED oder BREAM.
Ausgewählte Bereiche der ESG-Regulatorik
Corporate Sustainability Reporting
Der europäische Gesetzgeber legt einen Schwerpunkt seiner Maßnahmen auf Offenlegungs-pflichten und die Schaffung von Transparenz.
So wurde 2014 die sogenannte CSR (Corporate Social Responsibility) Richtlinie in Kraft gesetzt, wonach zunächst „große Unternehmen von öffentlichem Interesse“ in ihre Berichterstattung neben finanziellen auch nicht-finanzielle Angaben, wie etwa zu Umwelt‑, Sozial- und Arbeitnehmerbelangen, einbeziehen mussten. Durch die aufgewertete Berichter-stattung wird die Verantwortung von Unternehmen reflexiv gesteuert: sie sollen sich aufgrund der erhöhten gesellschaftlichen Aufmerksamkeit veranlasst sehen, Maßnahmen im Sozial- und Umweltbereich zu ergreifen.
Mit Umsetzung der neuen Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) wird u.a. der Kreis der bericht-pflichtigen Unternehmen erheblich erweitert: ab 2026 gilt die Berichtspflicht für das Geschäfts-jahr 2025 für alle „großen Unternehmen“ wenn zwei der folgenden Merkmale überschritten werden: Bilanzsumme über EUR 20 Mio., Umsatzerlöse über EUR 40 Mio., mehr als 250 Mit-arbeiter. Eine weitere schrittweise Erweiterung des Adressatenkreises ist bereits angelegt.
Taxonomie
Eine Taxonomie ist zunächst nur ein einheitliches Verfahren, um Objekte nach bestimmten Kriterien zu klassifizieren, also in Kategorien einzuteilen. In diesem Sinn normiert die 2020 in Kraft getretene EU-Taxonomie-Verordnung ein Klassifizierungssystem für Wirtschaftstätigkeiten. Es soll damit Anlegern Informationshilfe darüber gegeben werden, mit welchen Investitionen Wirtschaftstätigkeiten finanziert werden, die ökologisch nachhaltig sind. Um diese bestimmen zu können, legt die Taxonomie-Verordnung selbst Kriterien fest (wesentlicher Beitrag zu bestimmten Umweltzielen, keine erhebliche Beeinträchtigung eines Umweltziels, Einhaltung eines weiter konkretisierten Mindestschutzes), nimmt aber auch Bezug auf delegierte Rechts-akte, die laufend weiter ergänzt werden.
Ihre Wirkung entfaltet die Taxonomie-Verordnung ebenfalls über die Schaffung von Transparenz im Wege von Offenlegungspflichten: Unternehmen, die nach der CSRD (s.o.) verpflichtet sind, nichtfinanzielle Angaben zu veröffentlichen, müssen in diese Erklärung auch Angaben über die nach den Kriterien der Taxonomie-Verordnung bestimmte ökologische Nachhaltigkeit ihrer Wirtschaftstätigkeit aufnehmen. Durch den Verweis auf die CSRD nimmt die Taxonomie-Verordnung an der anstehenden – erheblichen (geschätzt um das ca. 30-fache) – Ausweitung des Adressatenkreises teil, so dass die Taxonomie nicht mehr nur die Finanzwirtschaft, sondern immer mehr auch die Realwirtschaft, also auch die Immobilien- und Logistikimmobilienbranche betrifft.
Offenlegung
Mit der seit 2021 geltenden SFDR (Sustainable Finance Disclosure Regulation, Verordnung über nachhaltigkeitsbezogene Offenlegungspflichten im Finanzsektor oder schlicht Offenlegungsverordnung) werden Finanzmarktteilnehmer und Finanzberater zu vorvertraglichen Informationen und laufenden Offenlegungen gegenüber Endanlegern verpflichtet. So sollen Informationsasymmetrien im Hinblick auf die Einbeziehung von Nachhaltigkeitsrisiken, die Berücksichtigung nachteiliger Nachhaltigkeitsauswirkungen, die Bewerbung ökologischer oder sozialer Merkmale sowie im Hinblick auf nachhaltige Investitionen abgebaut werden. Nachhaltiges Investieren soll transparenter und einfacher gestaltet werden. Hierzu regelt die Verordnung sowohl unternehmens- als auch produktbezogene Pflichten. Während bestimmte Offenlegungspflichten für alle von der Verordnung erfassten Finanzprodukte gelten, steigert sich ihr Umfang für bestimmte nachhaltige Finanzprodukte, insbesondere sog. ESG-Strategieprodukte („Art.-8-Fonds“) oder sog. Impact-Produkte („Art.-9-Fonds“). Diese Unterteilung ermöglicht es Investoren, anhand bestimmter Kriterien die Nachhaltigkeit von Finanzprodukten wie Immobilienfonds zu beurteilen und hat dementsprechend in der jüngeren Vergangenheit für den Immobilieninvestmentmarkt, eingeschlossen die Assetklasse Logistikimmobilien, signifikant an Relevanz gewonnen.
Soziale Nachhaltigkeit (u.a. am Beispiel von Lieferketten)
Neben den ökologischen Zielsetzungen der ESG-Regulatorik rückt die Soziale Nachhaltigkeit – das „S“ in „ESG“ – zuletzt immer weiter in den Fokus der Immobilienwirtschaft. Eine eigenständige Taxonomie existiert für soziale Fragen aktuell (noch) nicht. Die „EU Platform on Sustainable Finance“ hat im Februar 2022 einen Abschlussbericht zur „Sozialtaxonomie“ veröffentlicht, der als Grundlage für die Etablierung rechtlicher Vorgaben dienen soll. Als Ziele werden darin menschenwürdige Arbeitsbedingungen, angemessene Lebensstandards und Wohlergehen der Endverbraucher sowie eine integrative und nachhaltige Gesellschaft genannt. Viele Marktteilnehmer setzen diese Ziele auch ohne gesetzliche Vorgaben bereits proaktiv um. Neubauprojekte im Logistikbereich zeichnen sich teilweise auch heute schon durch gesteigerte Ansprüche an das Arbeitsumfeld etwa im Hinblick auf Raum- und Luftqualität sowie Erholungs- und Sportflächen aus. Neben den zum Teil verbindlichen Vorgaben an eine Immobilie in ökologischer Hinsicht, stellt ein auf soziale Nachhaltigkeit ausgerichtetes Gebäudekonzept ein Differenzierungsmerkmal dar, das die wirtschaftliche Attraktivität einer Immobilie für Investoren und Anleger steigert.
Ein Teil der im Zusammenhang mit Sozialer Nachhaltigkeit (und teilweise auch Aspekte der Governance – des „G“) verfolgten Ziele wurde im Lieferkettensorgfaltspflichtgesetzes (LkSG) bereits gesetzlich geregelt. Das LkSG zielt auf die Stärkung von Menschenrechten und Umweltschutz in globalen Lieferketten ab. Insbesondere sollen Kinderarbeit, Zwangsarbeit, Diskriminierung, Missachtung des Arbeitsschutzes und mangelnden Sicherheitsstandards entlang der Lieferkette bekämpft werden. Der Begriff der „Lieferkette“ umfasst alle Produktionsschritte im In- und Ausland bis zur Lieferung an den Endkunden. Hierzu enthält das Gesetz umfangreiche Sorgfaltspflichten in Bezug auf die Etablierung eines Risikomanagements, Präventions- und Abhilfemaßnahmen sowie eine Dokumentations- und jährliche Berichtserstattungspflicht. Betroffen von dem LkSG sind alle Unternehmen, die ihre Hauptverwaltung, ihre Hauptniederlassung, ihren Verwaltungssitz oder ihren satzungsmäßigen Sitz im Inland haben und mindestens 3.000 Arbeitnehmer im Inland beschäftigen. Eine Ausweitung und Verschärfung des Anwendungsbereichs des LkSG wird die Umsetzung der Lieferkettenrichtlinie der Europäische Kommission (Corporate Sustainability Due Diligence Directive – CSDDD) zur Folge haben.
Private Standards, insbesondere CRREM-Tool
Neben gesetzlichen Vorgaben auf europäischer und nationaler Ebene, lassen sich auch private Standards zur ESG-Regulatorik im weiteren Sinn zählen. Erheblich an Bedeutung gewonnen hat etwa das CRREM (Carbon Risk Real Estate Monitor)-Tool. Es will dem Mangel abhelfen, dass die ESG-Regulatorik überwiegend den Primärenergiebedarf in den Fokus rückt statt die CO2-Emissionen. Hierzu stellt das Tool immobilienspezifische Dekarbonisierungszielpfade dar. Der Anwender macht im Hinblick auf eine Immobilie Angaben u.a. zu den Arten der Energieträger, den jeweiligen Energieverbräuchen und der Berücksichtigung von Emissionsfaktoren und erneuerbaren Energien. Darauf basierend prognostiziert das Tool den CO2-Ausstoß und zeigt an, welche damit verbundenen Kosten und wann ein Verlassen des Zielpfads („stranding“) drohen. Die Bedeutung des CRREM-Tools resultiert insbesondere daraus, dass die BaFin die Verprobung des Merkmals der CO2-Intensität bei Fonds gem. Art. 8 und Art. 9 der Offenlegungsverordnung (s.o.) derzeit faktisch nur mittels dieses Tools zulässt. Aktuell wird es bereits von vielen Immobilienfonds als Maßstab für die Erreichung der eigenen ESG-Ziele eingesetzt.
Ausblick:
Die ESG-Regulatorik hat bereits einen erheblichen Umfang sowie große Relevanz in der Unternehmenspraxis erreicht. Ihr eine anhaltend dynamische Zunahme sowohl in Quantität wie Intensität vorherzusagen, scheint wenig gewagt. Ebenso klar ist, dass die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitskriterien für Investitionsentscheidungen und damit auch für die Projektentwicklung weiter steigen wird. Ohne Zweifel wird dies auch die Logistikimmobilienbranche prägen.
Autoren: Dr. Gösta Christian Makowski, LL.M., Rechtsanwalt, Anna-Lena Diedrich, Rechtsanwältin, GSK Stockmann.