Strom­ver­sor­gung als Argu­ment gewerb­li­cher Ansied­lung –
Ener­gie­pro­du­zie­rende Logis­tik­im­mo­bi­lien als Chance

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Die gewerb­li­che Flä­chen­po­li­tik und die damit ver­bun­dene Wirt­schafts­po­li­tik sucht seit jeher attrak­tive Unter­neh­mens­an­sied­lun­gen, um die lokale Lebens­qua­li­tät der Bewoh­ner zu ver­bes­sern und den jewei­li­gen Stand­ort nach­hal­tig zu ent­wi­ckeln. Die wich­tigs­ten Ziele dabei sind:

  • Schaf­fung und Erhal­tung von Arbeitsplätzen

  • Ein­nah­men durch Gewer­be­steuer und damit ver­bun­dene Stei­ge­rung der wirt­schaft­li­chen Leistungsfähigkeit

  • Stär­kung der regio­na­len Wett­be­werbs­fä­hig­keit und För­de­rung der Innovationskraft

  • Ver­bes­se­rung der Infrastruktur

Unter­neh­men, die bei der Errei­chung die­ser Ziele hel­fen, waren und sind hart umkämpft. Doch die Zei­ten, in denen sich inter­es­sierte Unter­neh­men eine „grüne Wiese“ aus­su­chen und zeit­weise sogar den Grund­stücks­preis bestim­men konn­ten, sind längst vor­bei. Vor allem für die­je­ni­gen, die sich seit Jah­ren mit Logis­tik­im­mo­bi­lien beschäf­ti­gen, ist das nichts Neues. Dass die zuneh­mende Flä­chen­knapp­heit dabei aller­dings nicht die allei­nige Ursa­che ist, soll in die­sem Bei­trag dis­ku­tiert wer­den. In Zukunft bestim­men auch andere Fak­to­ren über Erfolg und Miss­erfolg für den „Match“ zwi­schen Kom­mune[1] und ansied­lungs­wil­li­gen (Logistik-)Unternehmen.

 

 

Kom­mu­na­ler Fokus der Gewer­be­flä­chen­po­li­tik in drei Phasen

Die Kri­te­rien Arbeits­kräfte und Gewer­be­steuer sind schon lange nicht mehr ein­zi­ger Fokus der Kom­mu­nen, wenn es um die gewerb­li­che Neu­an­sied­lung von Unter­neh­men geht. Wie sich die all­ge­mei­nen Rah­men­be­din­gun­gen und die Gewich­tung bei der kom­mu­na­len Gewer­be­po­li­tik ver­än­dert haben (und ver­mut­lich wei­ter ver­än­dern), ver­an­schau­licht die fol­gende Tabelle anhand von drei Pha­sen[2]:

 

[1] Dem Autor ist bewusst, dass die Sprei­zung von Kom­mu­nen in Bezug auf die genann­ten Kri­te­rien erheb­lich ist. Der Begriff Kom­mune wird folg­lich im wei­te­ren Text stell­ver­tre­tend für eine durch­schnitt­li­che Kom­mune in Deutsch­land verwendet.
[2] Mit Phase 1 beginnt in etwa der Zeit­punkt der Logis­tik­im­mo­bi­lien-Pro­jekt­ent­wick­lung. Lager­im­mo­bi­lien, die  vor die­ser Phase gebaut wur­den, ent­stan­den sel­ten aus stra­te­gi­schen Anla­ge­mo­ti­ven, son­dern hat­ten pri­mär ope­ra­ti­ven Nut­zen für die Eigennutzer.
Tabelle 1: Kom­mu­nale Gewer­be­flä­chen­po­li­tik in drei Phasen
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Im Fol­gen­den sol­len die ein­zel­nen Pha­sen, ins­be­son­dere mit Bezug auf die Fol­gen für die Logis­tik­im­mo­bi­lien kurz bespro­chen werden.

Phase 1: Arbeits­lo­sig­keit und leere Kas­sen (bis etwa 2010)

Betrach­tet man die Arbeits­markt­si­tua­tion sowie die Gewer­be­steu­er­ein­nah­men im Zeit­ver­lauf (siehe Abbil­dung), so fällt auf, dass der Wunsch der Kom­mu­nen nach Gewer­be­steuer zah­len­den Unter­neh­men mit hohem Arbeits­kräf­te­be­darf in der Ver­gan­gen­heit beson­ders hoch war. Bis zum Jahr 2005 pen­delte die Arbeits­lo­sen­quote im Wes­ten um die 10 Pro­zent und im Osten gar um 20 Pro­zent. Auch die Gewer­be­steu­er­ein­nah­men beweg­ten sich wenig dyna­misch und blie­ben stets unter 30 Mrd.

Abbil­dung 1: Arbeits­lo­sen­quo­ten und Gewer­be­steu­er­ein­nah­men im Zeitverlauf
 
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Zwi­schen etwa 2005 und 2010 ging in Deutsch­land die Arbeits­lo­sen­quote deut­lich nach unten. Folg­lich rückte das Thema im wei­te­ren zeit­li­chen Ver­lauf zuneh­mend in den Hin­ter­grund (wenn auch langsam).

Diese Phase bis 2010 kann rück­bli­ckend – aus der Per­spek­tive der Logis­tik­im­mo­bile – als unkom­pli­zier­teste ange­se­hen wer­den. Trotz der immer häu­fi­ger auf­tre­ten­den kom­mu­na­len Kri­tik hin­sicht­lich schlech­ter Flä­chen­ef­fi­zi­enz (in Bezug auf Mitarbeiter*innen/m²) oder Lärm und Dreck war es ver­gleichs­weise ein­fach, an geeig­nete Grund­stü­cke zu kom­men. Zudem war vor allem der Markt der Pro­jekt­ent­wick­ler noch sehr über­schau­bar. Die über­schau­bare Wett­be­werbs­si­tua­tion war gepaart mit einer ver­gleichs­weise üppi­gen Flä­chen­ver­füg­bar­keit. Teil­weise konn­ten noch Ankaufs­preise ver­han­delt wer­den, was aus heu­ti­ger Sicht undenk­bar ist.

Die dama­lige Situa­tion führte aller­dings zu einer Viel­zahl an Logis­tik­im­mo­bi­lien ein­fachs­ter Bau­art. In die­sem Nach­fra­ge­markt konn­ten Ent­wick­ler­in­ter­es­sen vglw. leicht durch­ge­setzt wer­den. Denn zu strenge kom­mu­nale Auf­la­gen konn­ten dazu füh­ren, inter­es­sierte Ansied­ler zu verschrecken.

 

Phase 2: Flächenknappheit

Ähn­lich dis­rup­tiv wie der Arbeits­markt – wenn­gleich zeit­lich schwe­rer zuzu­ord­nen – ent­wi­ckelte sich im glei­chen Zeit­raum die Ver­füg­bar­keit gewerb­lich nutz­ba­rer Flä­che. Die zuneh­mende Ver­knap­pung von Flä­chen ist ins­be­son­dere an der Ent­wick­lung der Gewer­be­steu­er­ein­nah­men seit etwa 2010 abzu­le­sen. Seit die­sem Zeit­punkt haben sich diese bis heute in etwa verdoppelt.

Ansied­lungs­wil­lige Unter­neh­men tref­fen in die­ser Phase bis zum heu­ti­gen Tag auf ver­gleichs­weise gesät­tigte Märkte. Dies bedeu­tet zum einen, dass die Kom­mu­nen nur noch wenige Flä­chen anbie­ten (kön­nen). Zudem wird das Pro­blem der abneh­men­den Fach­kräf­te­ver­füg­bar­keit nicht zwangs­läu­fig durch den Zuzug neuer Unter­neh­men gelöst. In vie­len Kom­mu­nen herrscht nahezu Vollbeschäftigung.

Die fol­gende Gra­fik ver­deut­licht die Pro­ble­ma­tik mit Blick auf die wich­tigs­ten Logis­tik­re­gio­nen Deutschlands:

Abbil­dung 2: Matrix der Flä­chen- und Arbeits­kräf­te­po­ten­tiale in den 23 Logistikregionen
 
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Diese Phase ist geprägt von der Erkennt­nis, dass zumin­dest Flä­che eine end­li­che Res­source ist. Damit ver­bun­den war eine wesent­lich restrik­ti­vere und anspruchs­vol­lere Flä­chen­ver­gabe sei­tens der Kom­mu­nen. Die Ver­än­de­rung hin zum Ange­bots­markt, in dem zusätz­lich die Nach­frage stark gestie­gen ist, in Ver­bin­dung mit stei­gen­den Anfor­de­run­gen an Öko­lo­gie und Design führte zu neuen, inno­va­ti­ve­ren Ansät­zen bei Logis­tik­im­mo­bi­lien. Die Ent­wick­lung von Brown­fields, Mehr­stö­ckig­keit und Green Buil­dings (inkl. Zer­ti­fi­zie­rungs­we­sen und damit ver­bun­de­nen Qua­li­täts­stan­dards) sind immer häu­fi­ger zu beob­ach­ten, was in Phase 1 noch undenk­bar gewe­sen wäre. Diese Ver­än­de­run­gen waren not­wen­dig, um sich über­haupt im Wett­be­werb um Flä­chen gegen immer mehr wer­dende Markt­teil­neh­mer und gegen­über ande­ren Asset­klas­sen durch­set­zen zu können.

 

Phase 3: Ener­gie­ge­win­nung & Klimaschutz

Aktu­ell befin­den wir uns in einer neuen Phase aus kom­mu­na­ler Sicht. Der Angriffs­krieg Russ­lands in der Ukraine und der damit ver­bun­dene Import­stopp von rus­si­schem Gas hat die Ener­gie­wende Deutsch­lands not­ge­drun­gen deut­lich beschleu­nigt. Vize­kanz­ler und Wirt­schafts­mi­nis­ter Habeck for­mu­lierte dies­be­züg­lich den ein­zu­schla­gen­den Weg: „Wir müs­sen weg von fos­si­len Ener­gie­trä­gern und weg von der Abhän­gig­keit und Erpress­bar­keit von rus­si­schen Impor­ten. … Nur mit mehr erneu­er­ba­ren Ener­gien und mehr Ener­gie­ef­fi­zi­enz wer­den wir unsere Unab­hän­gig­keit stär­ken. …Das heißt aber auch: weg vom Inten­siv-Ver­brauch, hin zu Ener­gie­ein­spa­rung und Ener­gie­ef­fi­zi­enz.“ Das Ziel ist, dass Deutsch­land bis 2030 80 Pro­zent (in sie­ben Jah­ren!) sei­nes Strom­be­darfs aus erneu­er­ba­ren Ener­gien decken soll. Diese Her­aus­for­de­rung sol­len „alle“ zusam­men lösen, also neben Pri­vat­haus­hal­ten und Unter­neh­men auch die Kommunen.

Die noch feh­len­den rege­ne­ra­ti­ven Ener­gie­res­sour­cen sind dem­entspre­chend flä­chen­de­ckend über das gesamte Land zu ver­tei­len. Folg­lich müs­sen die Kom­mu­nen künf­tig viel stär­ker in das Thema ein­ge­bun­den werden.

Die Hälfte aller Logis­tik­im­mo­bi­lien befin­den sich ver­mut­lich im dezen­tra­len Raum, also auf dem Gebiet klei­ner bis mitt­le­rer Kom­mu­nen. Mit bau­li­chen Fra­gen sind diese beson­de­res häu­fig hoff­nungs­los über­las­tet, sowohl per­so­nell als auch hin­sicht­lich des not­wen­di­gen Know­Hows. Unter aktu­el­len Bedin­gun­gen (z.B. Netz­an­schluss, büro­kra­ti­sche Hür­den, etc.) scheint die Ziel­er­rei­chung zur Sisy­phus­auf­gabe zu wer­den, wenn die gro­ßen Menge an Pri­vat­haus­hal­ten mit Pho­to­vol­taik-Anla­gen aus­stat­tet und an das Netz genom­men wer­den muss.

 

Wer hat die größ­ten (Dach-)Flächen?

Eine nahe­lie­gende Lösung für Kom­mu­nen ist daher, die­je­ni­gen ener­ge­tisch zu ertüch­ti­gen, die die größ­ten gewerb­li­chen Flä­chen in der Kom­mune bewirt­schaf­ten. Zumin­dest könnte so ein Viel­fa­ches an büro­kra­ti­schen Ein­zel­vor­gän­gen ver­mie­den wer­den.[1]

Mit Blick in die Zukunft bie­ten sich somit für Anbie­ter oder Betrei­ber von Logis­tik­im­mo­bi­lien ganz neue Ansätze und Chan­cen. Künf­tig könn­ten kleine kom­mu­nale Kraft­werke ent­ste­hen, die sowohl Solar­ener­gie als auch Ener­gie durch Wind­kraft (oder andere Alter­na­ti­ven) erzeu­gen. Neben den Flä­chen auf dem Gebäu­de­dach könn­ten z.B. auch alle Park­plätze über­dacht und mit Solar­an­la­gen aus­ge­stat­tet wer­den. Diese Gebäude wären ein wich­ti­ges Puz­zle­stück zur Errei­chung der kom­mu­na­len Ener­gie­ziele. Die Nut­zung der Ener­gie­im­mo­bi­lie könnte dann durch­aus auch Logis­tik sein.

Die Ent­wick­ler und Betrei­ber eines sol­chen Kraft­werks wären die glei­chen, die heute reine Logis­tik­im­mo­bi­lien errich­ten. Da zukünf­tig auch die ESG-Kri­te­rien immer anspruchs­vol­ler wer­den, ist die Dop­pel­nut­zung einer sol­cher Immo­bi­lie nur kon­se­quent, denn selbst im Falle eines Leer­stands bleibt immer noch die Ener­gie­ge­win­nung als Risi­ko­ab­de­ckung  – ins­be­son­dere für die Kommune.

 

Fazit:

Die Ver­gan­gen­heit hat gezeigt, dass die Logis­tik­im­mo­bi­lie sowie deren Ent­wick­ler hohe Adap­ti­ons­fä­hig­kei­ten auf­wei­sen und sich durch­aus an externe Ein­flüsse sowie neue Her­aus­for­de­run­gen anpas­sen kön­nen. Den­noch muss man kon­sta­tie­ren, ver­mut­lich auch dem jun­gen Alter der Asset­klasse geschul­det, dass die Mehr­heit der bis­her ent­stan­de­nen Logis­tik­im­mo­bi­lien bis heute weder auf­fal­lend inno­va­tiv gebaut noch anspruchs­voll desi­gned wur­den. Der Logis­tik­im­mo­bi­lie fehlte es bis heute vor allem aus kom­mu­na­ler Sicht an posi­ti­ven Allein­stel­lungs­merk­ma­len und somit an guten Argu­men­ten beim Ansied­lungs­pro­zess. Doch im Wett­be­werb unter der Asset­klas­sen könnte die Logis­tik­im­mo­bi­lie in Zukunft zumin­dest durch den Zweit­nut­zen als Kraft­werk in Sachen Ener­gie die Nase vorn haben.

 

[1] Siehe dazu auch: Ramp One Inter­view, März 2022: https://www.ramp-one.de/energieautonomie-im-fokus/

Autor: Prof. Dr. Alex­an­der Nehm, DHBW Mannheim

Quel­len­ver­zeich­nis:
Abb 1. Quelle: Prof. Dr. Alex­an­der Nehm in Anleh­nung an WSI (https://www.wsi.de/de/erwerbsarbeit-14617-arbeitslosenquoten-26623.htm) und Desta­tis 2023 (https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2022/08/PD21_362_713.html)
Tabelle 1 Quelle: Initia­tive Logis­tik­im­mo­bi­lie (Logix) 
Abb. 2. Quelle: Nehm/­Ve­res-Homm 2018: Stand­ort­kom­pass, Logix (Hrsg.): https://www.logix-award.de/wp-content/uploads/2018/10/logix_Standortkompass_2018.pdf